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He won’t have sex tonight –
oder was läuft heute im Hafenkino
Wie überall im Leben gibt es verschiedene Gruppen, auch bei Segelschiffen. Man kann zum Beispiel die Schiffe in Grössengruppen einteilen. Mini-Schiffe (wie unseres), mittelgrosse und Megayachten. Oder die Aufteilung nach Geschwindigkeitsgruppen: Gemütliche Fahrtenyacht, Cruiser-Racer und Rennyacht. Die Gruppierung in verschiedene Rigg-Typen will ich hier nicht weiter erörtern, sondern die Gruppierung betreffend der Nutzung der Boote genauer betrachten. Hier gibt es grob drei Hauptgruppen: Eignerschiffe, Charterschiffe und Flottillen-Schiffe. Die einzelnen Hauptgruppen können selbstverständlich nach Belieben in weitere Untergruppen aufgeteilt werden.
Die Gruppe der Eignerschiffe erkennt man daran, dass es sich nicht um Bavarias, Beneteaus oder Jeanneaus handelt. Solarzellen, Windgeneratoren und Zweiercrews sind gute Erkennungsmerkmale. Im Hafen werden meist vorsichtige und/oder sichere Manöver gefahren, die Schiffe werden gut abgefendert und die Crew zieht an Bord die Landschuhe aus. Der Unterhaltungswert bei den Hafenmanövern ist relativ gering. Nach dem Anlegen jedoch trifft man auf den Schiffen dieser Gruppe interessante und meist freundliche und offene Seglerinnen und Segler oft im Rentneralter an. Ab und zu wird jedoch auch von Schiffen dieser Gruppe Hafenkino gezeigt. So wollte ein Rentnerpaar – er ca. 75, sie ca. 65 - mit einem kleinen Katamaran bei starkem Seitenwind römisch-katholisch (Buganker, zwei Heckleinen) anlegen. Sie brauchten etwa 6-8 Anläufe bis es geklappt hat. Meist fuhr er zu langsam rückwärts und wurde vom Wind vertrieben oder er gab zu früh den Befehl zum Ankerwerfen, so dass die gesamte Kette ausgerauscht war und das Schiff 15 Meter vor dem Steg gestoppt wurde. Bedauerlicherweise war das Schiff nicht mit einer elektrischen Ankerwinde ausgerüstet. So musste die Bordfrau den Anker nach jedem Versuch von Hand mit einer Kurbel wieder hochkurbeln, was ganz offensichtlich ziemlich anstrengend war. So nach dem vierten Versuch begann sie sich etwas bei ihrem Skipper zu beschweren. Ich stand mit der Crew einer anderen englischen Yacht bereit, um die Leinen anzunehmen, irgendwann klopft mir der Skipper auf die Schultern und meint ganz trocken «i think, he won’t have sex tonight!». Soviel zum englischen Humor, der Typ erinnert mich sowieso an den Anwalt im Film «A fish called Wanda» …
Die Charterschiffe sind an grossen Werbeaufschriften auf dem Grossbaum, Bug oder auf Flaggen und Wimpeln zu erkennen. Meistens handelt es sich um 10 bis 15 Meter lange Schiffe von Bavaria, Jeanneau oder Benetau. Vom Unterhaltungswert bei den Hafenmanövern her ist die Gruppe durchzogen. Hier gibt es Crews, die ihre gecharterte Yacht absolut im Griff haben und ihr Schiff souverän und sicher anlegen. Andere brauchen auch bei einfachsten Verhältnissen schon mal 3- 7 Anläufe und die Hilfe sämtlicher sich im Hafen befindenden Segler bis das Schiff endlich am Steg festgemacht ist.
Die Gruppe der Flottillen-Schiffe treten am Anfang ganz harmlos, durch ein meist eher kleines Schiff mit riesigen Flaggen, auf. Kaum hat aber dieses Schiff im Hafen festgemacht folgen in kürzesten Abständen bis zu dreissig Schiffe, welche vom Skipper des ersten Schiffes (Flottillenleader) per Funk, Megaphon oder einfaches Rufen und winken eingewiesen werden. Bei den Anlegemanövern wechseln sich beste Unterhaltung und blankes Entsetzen ab. Letzteres dann, wenn noch ein Platz neben dem eigenen Schiff frei ist und dieser sogar, wenn auch nur annähernd, angesteuert wird.
Wir sagen dem Hafenkino. Einige Muster gefällig? So geschehen im Hafen von Petriti auf Korfu: Eine Bavaria 40 legt bei mässigem Seitenwind rückwärts neben uns an. Die Heckleinen werden entgegengenommen und festgemacht, da beginnt sich das Schiff langsam zur Seite zu drehen. Jemand ruft vom Steg her, dass sie den Anker dicht nehmen sollen, da das Schiff seitwärts auf den Steg und das dort liegende Fischerboot gedrückt wird. An Bord grosses Erstaunen, alle blicken nach vorne wo der Anker seelenruhig im Bugbeschlag liegt. Es wurde schlicht vergessen ihn ins Wasser zu lassen. Der Fischer erbarmt sich und lässt die Yacht längseits neben sich liegen. Später, es hat zu regnen begonnen, kommt ein kleines Schiff mit drei jungen Frauen an Bord in den Hafen. Die drei tragen Badekleider und eine durchsichtige Plastikpellerine. Das Schiff wird vom Flottillenleader eingewiesen vorwärts zwischen den Fischerbooten mit Heckanker und Bugleinen fest zu machen. Das Manöver sieht gut aus bis der Flottillenleader den Befehl gibt «drop the anker». Synchron wird am Bug und am Heck ein Anker ins Wasser geworfen …
Da unsere kleine Tochter ihre Windel nicht sehr wohlriechend gefüllt hat muss ich trotz Regen aus der Kneipe nochmals aufs Schiff. Unterwegs begegne ich einem weiteren Flottillen-Schiff, welches gerade versucht vorwärts mit Heckanker (nur Heckanker) anzulegen. Der Flottillenleader ist nirgends zu sehen – offensichtlich regnet es ihm unterdessen zu stark. Ich erbarme mich den zwei Girls, die vorne am Bug, im Bikin mit einer duchsichtigen Plastik-Pellerine, mit je einer Leine stehen und sie mir gleichzeitig an den Kopf schmeissen. Schnell links und rechts in einen Ring einfädeln und zurückgeben. Nur ist, als ich mich wieder aufrichte, niemand mehr auf dem Schiff zu sehen. Alle haben sich in die Kabine zurückgezogen. Erst auf mein Klopfen kommt doch noch jemand an Deck und macht die Bugleinen fest. Aber nicht nur die Anlegemanöver sind interessant, auch beim Ablegen wird wirklich gute Unterhaltung geboten – vorausgesetzt man ist nicht direkt involviert. So durften wir beobachten wie ein Boot beim Auslaufen seinen Anker so langsam hochzog, resp. So schnell vorwärts fuhr, dass der Anker wie ein Pflug durch den Hafen gezogen wurde. Der Erfolg dieser Aktion liess nicht lange auf sich warten: Als der Anker endlich oben war, hing die Kette des Nachbarbootes daran. Mit dem Bootshaken versuchten die Leute auf dem Vorschiff die Kette aus dem Anker auszuhängen, was jedoch nicht gelang. Irgendwann dauerte es dem Mann am Steuer zu lange und er versuchte es mit Gewalt. Gab Vollgas vorwärts mit dem Resultat, dass sich die fremde Ankerkette spannte und sich schliesslich in seiner Schraube verfing. Völlig erstaunt, dass der Motor seines Schiffes abgestellt hatte, beobachtete er hilflos wie er quer auf die anderen Schiffe im Hafen driftete. Weder an den Seiten noch hinten wurden Fender angebracht. Der Flottillenleader benötigte 45 Minuten mit Taucherbrille im Wasser, um die Kette von Schraube und Welle zu wickeln. Es ist zum Teil wirklich bedenklich mit wie wenig Wissen und Können die Crews in den Flottillen auf’s Wasser geschickt werden. Es wird zwar versucht durch Breefings Wissen zu vermitteln. So konnten wir an einem Donnerstag Morgen beobachten wie ein Flottillenleader seinen Crews mit mässigem Erfolg versuchte den Kopfschlag beizubringen. Für alle Nicht-Segler: Der Kopfschlag ist wohl der am Häufigsten verwendete Knoten an Bord. Man braucht ihn z.B. täglich um Festmacherleinen an Bord zu befestigen. Da die Flottille mindestens seit dem Wochenende unterwegs war, stellt sich die Frage wir sie bisher die Boote festgemacht haben – wahrscheinlich gleich wie in Zukunft: Irgendwie.
Langweilig wird es uns auf jeden Fall im Hafen nie. Bleibt zu hoffen, dass die Komödien im Hafenkino die Überhand behalten und sich nicht zu viele Dramen abspielen. Hans-Jürg Kleine